#650 Public Project Management

Von Andreas Schmidt und Bastian Hanisch stammt in der aktuellen Ausgabe von projekt Management aktuell (02.2015) der lesenswerte Beitrag: “ Das institutionelle Scheitern von Projekten – Public Project Management“. Aber keine Angst, auch wenn Projekte wie ELENA oder der Hauptstadtflughafen BER angeführt werden, geht es nicht um ein Bashing, sondern um eine differenzierte Beschreibung der Besonderheiten von Projekten im öffentlichen Sektor.

Doch an genau diesem Punkt möchte ich den beiden entschieden widersprechen: So treffend ihre Analysen des politischen Umfelds sind, so unterscheiden sie sich nicht im Geringsten von den Anforderungen in der freien Wirtschaft, denn auch hier stehen die meisten Projekte längst in einem politischen (wenn auch keinem gesellschaftspolitischen) Kontext.

Eine politische Besetzung von Projektfunktionen (statt nach inhaltlichem Sachverstand) gibt es allerorten. Das Pendant zum öffentlichen Vergaberecht sind die Einkaufsabteilungen von Konzernen, die dem öffentlichen Sektor in nichts nachstehen.  Gleichermaßen gibt es Informationsasymmetrien und wenn im öffentlichen Bereich das Gemeinwohl unter dem Denken in Legislaturperioden leidet, so tut dies das kurzfristige Shareholder Value Denken in der vermeintlich modernen Wirtschaftswelt.

Auch bei den Grundlagen des Projektmanagement kann ich keine wesentlichen Unterschiede erkennen.

Nicht nur im öffentlichen Sektor findet Projektmanagement in einem politischen Spannungsfeld statt. Ein politisches Spannungsfeld ist eher die Regel, denn die Ausnahme, egal ob es um Bereichs-, Abteilungs- oder persönliche Interessen geht. „Macht“ und „Öffentlichkeit“ sind überall prägende Größen.

Moderenes Projektmanagement (insbesondere in komplexen Kontexten) ist längst kein technisches Instrumentarium mehr, sondern muss sich schon lange auch politischen Anforderungen stellen und das gilt sowohl für den privaten wie für den öffentlichen Sektor

#595 Von der Politik lernen – Stakeholdermanagement

Kaum ein Begriff wird im Projektmanagement so strapaziert, wie der des Stakeholders (openPM). Die Stakeholder richtig einzubeziehen ist ein Schlüssel zum Projekterfolg. Wie heißt es so schön: „Betroffene zu Beteiligten machen“.

Es geht aber auch anders, womit wir wieder bei unserem aktuellen Beispiel aus der Energiewende wären. Nehmen wir doch die aktuelle Stromtrassenplanung des Netzbetreibers Amprion (Wikipedia). Es ist klar, dass eine Trassenplanung bei den Betroffenen nicht zu einem lauten Hurra führt, aber das Selbstverständnis der Planer ist schon einzigartig: Statt in Ihrer Planung zwischen verschiedenen Schutzklassen zu differenzieren mit denen man versucht den verschiedenen Interessen ausgewogen zu begegnen, weist Amprion schon gleich zu Beginn „Widerstandsklassen“ aus. Die Wortwahl ist schon einzigartig. Der Ton macht die Musik. Noch bevor der Dialog anfängt werden Fronten aufgebaut oder wie der Sarkast sagt: „Betroffene zu Beleidigten machen“…

Mit einem Stakeholdermanagement dieser Güte braucht man sich über die Konfrontation mit dem sogenannten „Wutbürger“ (wieder Wikipedia) nicht wundern. Und der Netzbetreiber keilt gleich in jede Richtung:

Amprion-Vorstand: Bürger tragen Schuld an stockender Energiewende

Aber auch:

Netzbetreiber vermisst Rückhalt der Politik

Kein Wunder dass das Handelsblatt schon von der Rückkehr des Wutbürgers spricht.

Stakeholdermanagement geht anders.

#594 Von der Politik lernen – Entscheidungsstrukturen

Mit Entscheidungen kennt man sich in der Politik aus. Das sieht man z.B. an BER und dem munteren Bäumchen-Wechsel dich in den Gremien und im Management. Neben dem Wankelmut der Politiker, besinnt sich auch mitunter der Wähler anders.

Das man sich mit Entscheidungen in der Politik gut auskennt, gilt auch für unser jüngstes Beispiel: Der Energiewende.

Und siehe da, die Länder haben dabei Ihre Mitwirkungsrechte in die Hand des Bundes gelegt. Siehe da, sie haben – de jure – im Moment „nichts mit zu Schnabeln“, auch wenn Politiker wie der bayerischer Ministerpräsident  Horst Seehofer einen anderen Eindruck erwecken und in Zeiten von Kommunalwahlen und Europawahlkampf, dem Wähler andere Aussagen suggerieren.

Die Besetzung von Entscheidungsgremien, die Entscheidungsmechanismen, hidden agendas und das Spiel mit der Öffentlichkeit und der öffentlichen Wahrnehmung ist auch in Projekten ein Drahtseilakt. Will man hier von der Politik lernen, stellt sich die Frage, ob man aus abschreckenden Beispielen lernen will…

#593 Von der Politik lernen – Planung in Projekten

Nein, diesmal geht es weder um BER, Stuttgart21 oder die Elbphilharmonie, da ist ja schon überall das Kind in den Brunnen gefallen. Diesmal geht es um die Energiewende. Und je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto mehr fürchte ich, dass es nicht bei diesem einen Beitrag bleiben wird, sondern dass weitere folgen werden.

Als Laie habe ich aus den Tagesmedien verstanden, dass wir beim Ausstieg aus der Atomkraft u.a. nicht um die großen Stromtrassen durch Deutschland herumkommen, um die Windenergie aus der Nordsee auch in Süddeutschland nutzen zu können und dafür läuft gegenwärtig das Planungsverfahren. Wie ich gerade lerne, ist diese Auffassung des „Projketauftrags“ aber etwas verkürzt und naiv, denn es gibt reihenweise versteckte Prämissen und Festlegungen, die in der öffentlichen Diskussion vollkommen untergegangen sind und sobald man diese eines Tages in Frage stellt, wird man dann halt von Planungsfehlern sprechen…

Der Netzausbaubedarfsplan  basiert auf Daten aus 2010 (also noch vor Fukushima). Die Bedarfsplanung wird mittlerweile nicht nur von den Linken, sondern auch von der CSU angezweifelt, der Planungsprozess ist aber nicht gestoppt oder wird überarbeitet (auch wenn dies einige Politiker im Wahlkampf suggerieren)- er läuft unverändert weiter. Der aktuelle Terminverschiebung in der Planung für die Stromtrassen basiert nicht auf der Berücksichtigung neuer Erkenntnisse, sondern auf einem Terminverzug der Planungsgesellschaft.

Einbezogen wurden die 4 Netzbetreiber und die Energieversorger. Demzufolge basiert das gesamt Konzepte auf der Annahme eines zentralistischen Systems. Die 4 Netzbetreiber und die Energieversorgern haben ihre eigene Existenz und ihr eigenes Geschäftsmodell nicht in Frage gestellt, sondern logischerweise fortgeschrieben. Dezentrale Ansätze blieben außen vor. Es gibt zwar derzeit unzählige lokale Initiativen mit der Zielsetzung mittelfristiger Energieautarkie für Regionen, wie z.B. das Energiebündel Eichstätt (hinter dem nicht etwa grüne Utopisten, sondern u.a. alle Kommunen und der Landkreis selbst stecken), diese sind aber nicht berücksichtigt – im Gegenteil, das Finanzierungsmodell des Bundes sieht ja auch vor, dass die regionale Stromerzeugung das neue Modell (also das zentralistische Modell) mitfinanziert.

Wir haben also  bereits eine versteckte Festlegung für ein zentralistisch geprägtes System.

Damit einher gehen leider noch weitere Konsequenzen: Der gegenwärtige Ansatz trennt weiter zwischen Energieversorgern und Netzbetreibern. Die Energieversorger sind nicht an den Transportkosten beteiligt. Diese werden auf alle Verbraucher umgelegt, dass heißt nicht auf alle Verbraucher: Für die Großverbraucher in der Industrie gibt es großzügige Ausnahmeregelungen und Befreiungen. Dummerweise verzerrt dieser Ansatz dann die Wirtschaftlichkeitsrechnung für den Verbraucher: Etwas teurer lokal erzeugter Strom muss auch noch die Transportkosten für in Großkraftwerken erzeugten etwas billigeren Strom mitfinanzieren und wird damit wirtschaftlich uninteressant. Würden die Transportkosten verursachungsgerecht umgelegt, wäre lokale Stromproduktion hingegen wettbewerbsfähig. Eine klassische Fehlsteuerung.

Bezeichnenderweise spiegelt sich dies auch in der Trassenplanung wieder, denn ein Großteil der gegenwärtig geplanten Trassen hat vor allem ein Ziel: Die Einbindung von vergleichsweise billigem, aber ökologisch fragwürdigem Kohlestrom in das System. Die Trasse vor unserer Haustür endet beispielsweise nicht an der Nord- oder der Ostsee, sondern in der Braunkohleregion um Halle. Auch die Kohlekraftwerke in NRW werden über die neuen Trassen eingebunden.Von so etwas war aber war in der ursprünglichen Begründung nie die Rede.

Ich fürchte, so wie wir heute über BER & Co reden, werden wir schon bald über die Energiewende reden und zwar nicht wegen der Atomkraftdiskussion, sondern aufgrund grundlegender handwerklicher Fehler in der Planung, aber es braucht vermutlich erst Großbaustellen und eine Kostenexplosion, die uns die Tragweite vor Augen führen. Dann müssen erst die Trassen stehen bevor wir uns über den Strompreis und den dann völlig überraschenden Rückgang in der lokalen Stromerzeugung wundern werden.



bernhardschloss.de