Archiv der Kategorie ‘Organisationsentwicklung‘

 
 

Gelesen: The Connected Company

Dave Gray, Thomas Vander Wal; The Connected Company; Baijing, Boston, Farnham, Sebastopol, Tokyo 2014 (Amazon Affiliate Link)

Nach der Lektüre bin ich seltsam unschlüssig, irritiert. Das kenn ich sonst gar nicht. Gestolpert bin ich über das Buch über Dave Gray (ja, der von Gamestorming (und wieder ein Affiliate Link)). Wir sind uns in diesem Jahr in einer Twitter Community über Visuelles Denken über den Weg gelaufen. Dave hat dort seine skizzenhaften Visual Frameworks geteilt, die ich in ihrem Minimalismus inspirierend fand.

Auch in der Connected Company finden sich solche Skizzen:

Im Buch geht es um Wandel, Systeme und Organiationen. Das hat jetzt nichts mit Visualisierung zu tun, sind aber auch meine Themen. Aber damit fängt auch meine Irritation an.

Gray/Vander Wal sprechen von der Connected company und einer podular organization. Termini, die mir so noch nicht über den Weg gelaufen sind und bei denen sie womöglich bereits den Anschluss verpasst haben.

Mit podular organization meinen sie eine fraktale Organisation, auch kein ganz neues, wenn auch nach wie vor relevantes Konzept – vielleicht etwas zu abstrakt für den Mainstream. In der Wikipedia habe ich den folgenden Passus zur fraktalen Fabrik gefunden (auch wenn es dort nicht zu einem eigenständigen Artikel gereicht hat):

„Ein weiteres Denkmodell zur Bewältigung des Wandels ist die fraktale Fabrik von Warnecke, die Anfang der 90er Jahre in Analogie zu natürlichen Systemen skizzierte. Das fraktale Unternehmen ist eine dynamische Organisation, die sich aus autonomen, selbstähnlichen, zielbewussten, dynamischen Gebilden, das heißt den Fraktalen zusammensetzt. Diese Fraktale verfügen über Freiräume zur Selbstorganisation, agieren weitgehend selbstständig und wirken aktiv an ihrer Entstehung, Veränderung und Auflösung mit. Zusammen mit anderen Fraktalen agieren sie im Unternehmen unter intensiver Kommunikation nach Regeln des Wettbewerbs und der Kooperation. Auf diese Weise erhalten die Fraktale die Fähigkeit zum Wandel von innen heraus. Damit können fraktale Unternehmen nicht nur eine reaktive Anpassung an ihre Umwelt vornehmen, sondern aus eigener Kraft heraus proaktiv agieren.“

Also 90er.

Aber wie gesagt trotzdem relevant.

Ich habe mir viel Kluges und Nützliches bei der Lektüre notiert, aber was irgendwie fehlt ist die Anschlussfähigkeit. Gut, man kann natürlich sein eigenes Ding machen, aber dafür kommt dann (für meinen Geschmack) zu viel Namedropping. Und wenn dann u.a. Jack Welch, Peter Drucker und andere Management-Größen zitiert werden, kommt fast schon 80er Jahre Nostalgie auf, abgesehen davon, dass ein Jack Welch heute bereits viel kritischer gesehen wird.

Das Namedropping ist auch eine der Schwachstellen des Buches. Bei dem einen oder anderen Namen hat man das Gefühl, dass er aus der Zeit gefallen ist (Größen wie Peter Drucker oder William Edwards Deming seien hier explizit ausgenommen) oder dass der Neuigkeitswert fehlt (Semco). Auch Systemtheorie, Managementtheorie, Effectuation und vieles anderes werden angerissen – nicht falsch, aber etwas oberflächlich und für ein lektoriertes Buch fehlen mir da zu viele Referenzen und das obwohl es sonst nur am Namedropping wimmelt. Einerseits schade, andererseits habe ich für mich doch das einiges mitgenommen.

Gelesen: Effectuation

Die Reihe Gelesen haben wir hier zuletzt (bis auf ein paar Best of…) sträflichst vernachlässigt. Dabei wurde auch 2022 durchaus gelesen. Ein Thema dabei war Effectuation – und das gleich zweimal:

Zunächst im Original bei Saras D. Sarasvathy und dann beim deutschsprachigen Vorreiter Michael Faschingbauer (Amazon Affiliate Links):

Was heißt denn Effectuation?

Effectuation ist eine Art unternehmerisches Framework, basierend auf ein paar Grundannahmen und Prinzipien, abgeleitet aus einer empirischen Studie von Sarasvathy.

Effectuation versteht sich als eine alternativer Ansatz zum linear-kausalen Methodenkoffer, der durch Vielfalt, Vernetztheit, Dynamik und begrenzten Einfluss immer wieder an seine Grenzen stößt.

Effectuation ist eine unternehmerische Theorie(?) die auf die Theorie verzichtet, sondern auf der Anwendung von vier Prinzipien beruht:

  • Prinzip der Mittelorientierung
  • Prinzip des leistbaren Verlusts
  • Prinzip der Umstände und Zufälle
  • Prinzip der Vereinbarungen und Partnerschaften

Diese Prinzipien ersetzen oder ergänzen so Dinge wie das ökonomische Prinzip oder den homo oeconomicus.

Statt zu fragen, wie kann ich meinen Gewinn maximieren/meine Kosten minimieren, frägt Effectuation nach den verfügbaren Mitteln, die uns zur Verfügung stehen (Prinzip der Mittelorientierung).

Die Frage nach dem leistbaren Verlust ist die Frage danach, welchen Spielraum für Experimente wir haben. Wieviel Aufwand können wir uns leisten um zu lernen? Experimentieren statt optimieren. Nur durch Experimente sind Innovationen möglich. D.h. ja nicht, dass Optimierung und lineare Kausalität falsch sind, aber sie führen uns eher in die Verwaltung und Optimierung und nicht ins Unternehmertum und zur Kreierung von Neuem.

Dafür müssen wir offen sein für Umstände und Zufälle – Stichwort Serendepity (Wikipedia).

Vereinbarungen und Partnerschaften sind eigentlich nichts anderes als die Anwendung der Mittelorientierung und die Nutzung von Umständen und Zufällen im Sozialen.

Zentrale Fragen im dynamischen Effectuation Modell sind: Wer bin ich? Was weiß ich? Wen kenne ich? (Verfügbare Mittel) und dann weiter: Was kann ich jetzt tun? Mit wem kann ich darüber reden?

Sarasvathy braucht keine deutschsprachige Übersetzung, denn dafür gibt es ja Michael Faschingbauer. Während Sarasvathy doch noch den akademischen Duktus mitbringt, liefert Michael Faschingbauer eher die Umsetzung und wird trotzdem Sarasvathy gerecht. Bei Faschingbauer gibt es auch Fallsstudien und eine Toolbox.

Eine kritische Anmerkung noch zur empirischen Grundlage von Sarsvathy: Ihre Definition von Experten-Unternehmertum (mindestens zehn Jahre Vollzeit-Erfahrung in der Gründung und Führung von Unternehmen hat, mehrere Unternehmen, darunter erfolgreiche und gescheiterte, gegründet hat und mindestens ein Unternehmen an die Börse gebracht hat) ist schon sehr speziell. Fokussiert mehr auf Elon Musk, Jeff Bezos & Co und ignoriert letztlich große Teile unserer Wirtschaft und des Unternehmertums, beansprucht aber die Verallgemeinerbarkeit der Erkenntnisse. Auch wenn die Ideen sehr spannend und vielversprechend sind, die Betonung dieser empirischen Basis ist dann doch akademische Augenwischerei. Da gibt es keinen Mittelstand und keine Familienunternehmen. Dort sind die Prinzipien auch anwendbar, aber enthalten ganz sicher noch andere Facetten, die nicht minder interessant sein dürften.

Was bitte ist Facilitation?

Facilitation als Moderation zu übersetzen greift viel zu kurz.

Facilitation ist mehr als eine Methode, es ist eine Einstellung (Neu-Deutsch: Mindset) und ein Rollenverständnis.

Wörtlich heißt Facilitation so viel wie Ermöglichung oder Erleichterung. Facilitation soll dabei einer Gruppe helfen, ihre Ziele zu erreichen, jedoch ohne dabei selbst Partei zu ergreifen.

Zielorientierung, Prozessorientierung und Neutralität sind die wesentlichen Merkmale von Facilitation.

Mittels Facilitation haben wir bessere und effizientere Meetings, Entscheidungen und Problemlösungen. Wir können damit auch Prozesse moderieren, z.B. Lernprozesse.

Neugierig geworden?

Gemeinsam mit meinen Kollegen Christian und Daniel von ViusalBraindump und Stefan Moser geht demnächst die Facilitation Masterclass an den Start und auch hier im Blog wird noch das eine oder andere zum Thema zu finden sein.

Ein Facilitator ist so etwas wie ein Katalysator für Gruppenprozesse. Ein Facilitator, also die Person, der Mensch, der versucht in unserer Gruppe als Katalysator zu wirken, nimmt sich selbst zurück, bleibt neutral und ist lediglich dem Prozess und den Gruppenzielen verpflichtet.

Die Masterclass ist blended Learning, also eine Mischung aus Präsenztraining und Online-Begleitung. Das „Machen“/ die Anwendung steht im Vordergrund. Und das gemeinsame Lernen und Feedback beflügelt zusätzlich.

Sie lernen mit uns, sich im Dschungel von Agilität, VUCA und New Work zu orientieren, aktiv mit einer Vielfalt an Methoden zu experimentieren und damit sicher durch das Dickicht zu kommen.

Wir haben das erforderliche Handwerkszeug in drei Module gepackt mit denen wir Sie durch dieses Jahr begleiten:

  • Orientieren
  • Navigieren
  • Experimentieren

Auch für LinkedIn Learning bereiteten Christian, Daniel und ich derzeit ein eigenes Videotraining vor.

More to come. Und versprochen: Auch hier auf schlossBlog wird es noch mehr zum Thema geben.

Communities und Community-Projekte

Communities ticken anders. Entsprechend funktionieren Community-Projekte auch anders als andere Projekte. Was Communities anders macht ist das Prinzip der „Freiwilligkeit„. Egal ob es um Open Source Software-Entwicklung geht oder um ein Entwicklungshilfeprojekt eines NGOs, wenn die Akteure auf freiwilliger Basis an Bord sind, stellt das viele Spielregeln auf den Kopf.

Eine liebe Freundin trieb mich einst beinahe in den Wahnsinn, weil für sie vor der Arbeit noch das Tee-Kochen und ein freundlicher Plausch wichtig waren, während ich erst einmal (auch im Ehrenamt) die Arbeit schaffen wollte, um dann in aller Ruhe mit ihr und den anderen noch weiter „abzuhängen“. Die Lektion, die ich damals lernen musste, ist, dass man bei „Freiwilligkeit“ nichts einklagen kann und wir die Eigenheiten der anderen weit mehr akzeptieren müssen, als wir im (Berufs-)Alltag bereit wären, das zu tun. Letztlich müssen wir froh sein, egal ob im Sportverein, im Sozialen oder wo auch immer, wenn sich jemand engagiert und die Grenzen der Kritikfähigkeit verlaufen einfach anders bei Volunteers.

Um Communites besser zu verstehen bin ich vor einer Weile über ein schönes Werkzeug gestolpert. Wie könnte es auch anders sein: Es ist ein Canvas – Der Community-Canvas.

Mit seinen Feldern bietet der Canvas bereits eine Tiefenstruktur zur Analyse einer Community. Im ersten Schritt reicht vielleicht schon die Grobstruktur (gekennzeichnet durch die Farben): Identity (blau) – Expierience (rot) – Structure (grün).

Wenden wir dieses Werkzeug exemplarisch auf 3 Beispiele an:

openPM ist zum Einen ein Projektmanagement-Wiki, aber auch Bestandteil einer verbandsunabhängigen Projektmanagement-Community, die sich im Rahmen der PM-Camp-Bewegung gefunden hat. Hinter openPM steckt ein gemeinnütziger Trägerverein, der mittlerweile nicht nur das Wiki betreibt, sondern bei einigen PM-Camps auch als Veranstalter auftritt (München, Stuttgart, Karlsruhe) und auch die PM-Camp-Internet-Domain verwaltet. Bei all meinem persönlichen Enthusiasmus für openPM, legt der Canvas gleich den Finger in die Wunden dieser Community: Bei Identity und Structure können wir einen Haken setzen, hier ist die Aufstellung vorbildlich. Kritisch wird es in einzelnen Expierience Feldern. Dem Wiki mangelt es teilweise an Inhalt (Content). Offenbar werden die Erfahrungen (Shared Expierience) nicht in dem Umfang geteilt wie erhofft. Einen möglichen Ansatzpunkt liefert der Canvas gleich mit: Die Etablierung von Ritualen. Das könnte im Konkreten ein noch weitergehendes Engagement in der PM-Camp-Bewegung und auf PM-Camps sein, aber vielleicht auch die Etablierung weiterer Austausch- und Diskussionsformate.

Beispiel 2 hatten wir bereits eingangs erwähnt: Freiwilligen-Arbeit mangelt es mitunter an Effizienz, die sich auch nicht „einklagen“ lässt. Im Canvas bewegen wir uns auch hier in den Expierience Feldern. Einen Lösungsansatz könnten Rules, Rituals und Roles bieten.

Sind Communities grundsätzlich im gemeinnützigen Bereich angesiedelt? Nein, es gibt auch andere Beispiele, die aber ebenfalls unter den Restriktionen der „Freiwilligkeit“ leiden – man denke nur an Barcamps und Open Space-Veranstaltungen, Supervision oder WOL-Circle. Aber auch firmenintern lassen sich Beispiele finden, wie unser Beispiel 3: Eine Community von IT-Experten einer bestimmten Software in einem Konzern. Gemeinsam helfen sich die Kollegen mit Know How und Tools aus. Die Gemeinschaft wächst schnell und ihr Aktivitätsradius nimmt zu, weil alle profitieren, allerdings bleibt die Community informell, womit sich selbst zugesagte Leistungen kaum einfordern lassen. Bei Gemeinschaftsprojekten knirscht es. Möglicherweise stehen einzelne IT-Abteilungen auch im Konkurrenzkampf: Abteilung A könnte System und Aufgaben von Abteilung B übernehmen). Defizite liegen zum Einen im Bereich Structure (Organization, Governance und Financing), aber auch beim Miteinander (Shared Expieriences) fehlt es an Rules und Roles.

Die 3 Beispiele zeigen bereits eindrucksvoll Stärken des Canvas. Allerdings sehe ich auch ein strukturelles Defizit: Der Canvas unterstellt eine Homogenität der Teilnehmer der Community. Heterogenität (z.B. rivalisierende Positionen) lassen sich schwer im Schema verankern. Das könnte z.B. durch eine begleitende Stakeholder-Analyse kompensiert werden. Aber nichtsdestotrotz: das ist Kritik/Jammern auf hohem Niveau. Der Community Canvas stellt eine hervorragende Bereicherung in der Auseinandersetzung mit Communities und Community Projekten dar.

Brandeins: Kognitive Dissonanz und Disruption

Stephan A. Jansen beschreibt (brandeins 06/2019), wie wir trotz aller Sensibilisierung für disruptive Entwicklungen unsere Augen vor dem Offensichtlichen verschließen und verweist auf schwere Kognitionsstörungen: „Warum wir auch sehr naheliegende Entwicklungen nicht früher sehen können, liegt in dem begründet, was wir in der Forschung kognitive Routinen nennen. Das sind Beobachtungsprogramme, bei denen weniger die Ergebnisse interessieren als das Programm selbst: Was gefunden wird, ist immer abhängig von der Such-Logik.“

Wen wundert es da, dass sich Unternehmen mit permanenter Selbstbestätigung immer tiefer ein Schlammassel wie den Diesel-Skandal reinreiten oder ausschließlich Menschen einstellen, die so sind, wie die Menschen, die bereits in der Organisation sind – auch das eine Form von Selbstbestätigung mit der Gefahr von inzestiösen Tendenzen.

Brandeins: Bürokratie & Verwaltung

Ebenfalls in Wolf Lotters Essay über Unabhängigkeit (brandeins 06/2019) findet sich eine sehr treffende Passage über Bürokratie und Verwaltung, die er mit einem Metapher über die Geschichte der Computer-Betriebssysteme einleitet: „ In der Urzeit des Computers gab es keine einheitlichen Betriebssysteme, was dazu führte, dass man meistens gut damit ausgelastet war, das System des Systems wegen aufrechtzuerhalten. Das ist die Grundlage jeder Bürokratie, also einer Herrschaftsform, die zum Selbstzweck geworden ist.

Bürokratie bleibt dabei nicht nur der (öffentlichen) Verwaltung vorbehalten, sondern ist auch in Unternehmen zu finden, „[dabei besteht die Aufgabe der Verwaltung eigentlich darin,] Freiraum für das Wesentliche zu schaffen, den Menschen. Das ist in Ämtern und Konzernen, bei Start-Ups und Betriebssystemen ganz ähnlich. Verwaltung und Markt sind damit ebenfalls kein Widerspruch.“

Brandeins: New Work

Das Beste über New Work – obwohl dieses Buzzword mit keiner Silbe erwähnt wird -, was ich in letzter Zeit zu diesem Thema gelesen habe, findet sich in der aktuellen Ausgabe (06/2019) von brandeins. Mit Wolf Lotters tiefsinnigen Essays werde ich nicht immer warm, aber diesmal sehr wohl. Er schreibt eben nicht über New Work, sondern über Unabhängigkeit  – und trifft es damit weit besser als das ganze Rauschen der New Work-Filterblase.

Es geht um das Ermöglichen und um eine Auseinandersetzung mit guten und schlechten Abhängigkeiten. Es geht um Selbstbestimmung.

Ein Zitat des Soziologen Georg Vobruba bringt die Diskussion um unsere Arbeitswelt auf den Punkt: „[Es geht nicht darum], sich der Illusion hinzugeben, wir könnten vollkommen autonom sein, vollkommen selbstbestimmt und unabhängig. Es geht um Autonomiegewinne, mehr Freiraum.“

Ob das mit einem Hype/einer Blase gelingen kann, wage ich zu bezweifeln. Dafür braucht es Demut.

Fehlerkultur

Das Thema Fehler und Fehlerkultur hat mich jüngst über mehrere Wege eingeholt: Zum Einen bei der Erstellung unseres Qualitätsmanagementtrainings für die LinkedIn Learning Projektmanagement Reihe und zum Anderen über eine Diskussion ausgelöst durch einen Blogpost von Marcus Raitner gefolgt von einigen Repliken, u.a. von Stephan List auf dem Toolblog.

Was mir gar nicht gefällt ist die Verquickung der Begriffe Fehler und Scheitern. Während ein Fehler ganz neutral lediglich ein Ergebnis darstellt, das so weder erwartet noch gewollt war, birgt Scheitern eine stark persönlich wertende Konotation: Eine negative Wertung über die Leistungserbringung und den Leistungserbringer. Insofern würde ich gerne Marcus These („Scheitern erlauben – Fehler abschaffen“) etwas provokant auf den Kopf stellen:

Fehler erlauben – Scheitern abschaffen!

Ganz klar: Es geht nicht um unnötige und fahrlässige Fehler, aber es geht um Fehlerkultur. Es geht um einen konstruktiven Umgang mit Fehlern. Aktuelles Negativbeispiel ist wieder das Dieselgate und der desaströse Umgang damit in Politik und den betroffenen Firmen.

Aber was ist dann eine Fehlerkultur? Was macht eine (positive) Fehlerkultur aus?

(1) Akzeptanz von Fehlern
Fehler passieren. Ob wir wollen oder nicht. Dafür ist unsere Welt viel zu komplex, als dass wir alles kontrollieren könnten. Es ist sinnlos das zu negieren, vielmehr sollten wir den konstruktiven Umgang mit Fehlern suchen.

(2) Keine Schulddebatten
Beim konstruktiven Umgang mit Fehlern geht es nicht um die Schuldfrage, sondern um Lösungen. Es geht nicht um willfährigen, vorauseilenden Gehorsam, der nur auf das achtet, was vermeintlich erwartet wird, sondern um eine ehrliche und sachliche Auseinandersetzung.

(3) Transparenz
Wir brauchen selbstverständlich im Team Transparenz über unsere Fehler und Probleme. Das ist natürlich nur möglich, wenn niemand negative Konsequenzen aus seiner Ehrlichlkeit fürchten muss. Hier schließt sich der Kreis zur Schulddebatte. Es geht eben nicht um Fingerpointing auf Personen, sondern um Sachlichkeit.

(4) Fehlervermeidung kein Selbstzweck
Natürlich wollen wir keine unnötigen Fehler, aber Fehlervermeidung darf auch nicht zur Selbstzensur werden. Wir brauchen Handlungs- und Experimentierfreiräume um Lernen zu können und voran zu kommen. Das Negativbeispiel hier ist der Sprachenschüler, der seinen Mund nicht aufkriegt aus Angst einen Fehler zu machen und damit grandios an seinem Ziel – der Kommunikation – scheitert (upps, jetzt habe ich selbst von Scheitern gesprochen), statt mit Händen und Füßen zu kommunizieren und sein eigentliches Ziel zu erreichen. Die Fehlervermeidung an sich ist nicht das Ziel, sondern (in diesem Fall) die Kommunikation, aber das wird mitunter vergessen.

Wir brauchen also einen entspannteren Umgang mit Fehlern, aber keinen leichtfertigen, einen sachlichen und ganz bewussten.

Und auf die Energieverschwendung für Eitelkeiten und Schulddebatten können wir im Sinne des Teams gerne verzichten.

Wilber Matrix

Bei der Lektüre von Frederic Laloux Reinventing Organizations bin ich über die Wilber Matrix gestolpert, die einen Bezugsrahmen für die Erklärung und Beschreibung menschlicher Verhaltensmuster liefert.

Alle Quadranten, alle Ebenen sind gleichzeitig vorhanden. Wenn wir nun menschliches Verhalten eines Einzelnen betrachten wollen, so können wir dieses aus der Außenperspektive beobachten. Die Glaubenssätze des Einzelnen sind hingegen in seiner Innenperspektive verankert. Das von außen beobachtbare Verhalten einer Gruppe manifestiert sich in Strukturen, Prozessen und Praktiken. In der Innenperspektive könnte man von Organisationskultur sprechen.

Ken Wilber ist ein amerikanischer Vertreter der Integralen Theorie. Die Integrale Theorie ist nach Wikipedia eine Theorie und Weltanschauung, die versucht, eine umfassende Sicht des Menschen und der Welt zu entwickeln, die natur-, human- und geisteswissenschaftliche Erkenntnisse und Theorien, prämoderne, moderne und postmoderne, östliche und westliche Weltsichten sowie wissenschaftliches Denken und spirituelle Einsichten vereint.

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