In der aktuellen Ausgabe des Projektmagazins findet sich ein Praxisbeitrag (nur für Abonnenenten, ansonsten kostenpflichtig) des Internet-Providers 1&1 mit einer provozierenden These: Projekte, die auf allzuviel PM-Methodik verzichten, sind tendenziell erfolgreicher als Projekte mit ausgeprägter PM-Methodik, wenn die Schlüsselfaktoren Mitarbeiterverhalten und Vertrauen gegeben sind.
In meiner persönlichen Interpretation deckt sich dies mit meinem Plädoyer für Selbstorganisation in Projekten. PM-Methodik ist natürlich sinnvoll, wer es aber schafft, den gesunden Menschenverstand der Beteiligten und ihre soziale Kompetenz zu nutzen, ist noch erfolgreicher. Der Artikel verdammt auch keine PM-Methodik, sondern weist auf die zentrale Bedeutung der Schlüsselfaktoren also von Soft-Skills im Projektmanagement hin.
Im Artikel wird aber noch auf einen zweiten Aspekt verwiesen:
PM-Methodik fokussiert sehr stark auf den Zielvereinbarungsprozess zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Dabei werden zahlreiche Kompromisse geschlossen. Gemäß PM-Methodik ist ein Projekt erfolgreich, wenn diese Ziele erreicht werden. Die Ziele decken sich aber nicht mehr mit den ursprünglichen Erwartungen der Beteiligten. PM-Methodik verleitet dazu, dass man sich mit den Kompromissen zufrieden zeigt und die maximale Abdeckung der eigentlichen Erwartungen vernachlässigt, selbst wenn mehr erreichbar gewesen wäre. Stellt dies die Zielarbeit und Scopedefiniton in Frage? Nein, nicht wirklich, vielmehr wird die Bedeutung der „richtigen“ Ziele betont.
Ein wesentlicher Punkt wird im Beitrag gar nicht erwähnt:
Das Unternehmen besitzt bereits eine ausgeprägte Projektkultur! Die Mitarbeiter kennen Projektarbeit und sind es gewohnt eigenverantwortlich in Projekten zu arbeiten. Nur weil Projektarbeit im Unternehmen bereits etabliert ist, war die Untersuchung von zahlreichen Projekten, die dem Beitrag zugrunde liegt, erst möglich.