#192 Managementtheorien für PMs
Anscheinend geht es vielen erfahrenen Projektmanagern gleich: Der allgemeine Zertifizierungswahn (nicht nur im Projektmanagement) und die auswuchernde Methodenorientierung der großen Verbände (GPM, PMI, OGC,…) wird kritisch gesehen. Stattdessen ist eine Rückbesinnung auf die essentiellen Faktoren sinnvoll:
Ähnlich fasst es Stefan Hagen in seinem persönlichen Fazit von einem PM-Blogger-Treffen in Berlin zusammen:
Kommunikation ist (fast) alles
Die Kollegen wünschen sich auch eine „neue Bewegung“ im Sinne dieser Rückbesinnung. (Andreas Heilwagen berichtet übrigens vom gleichen Meeting.)
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht um die Ablehnung von Methoden und Standards, sondern vielmehr um deren sinnvollen Einsatz.
Etwas spitz formulierte ein befreundeter Kollege jüngst:
Die aktuellen Standardwerke der GPM wiegen mittlerweile 9kg.
Masse kann mitunter erschlagend wirken… So sinnvoll jede einzelne Methode fallweise sein kann, laufen doch immer mehr Projekte Gefahr sich im Methodenwald zu verirren.
Auch die Popularität von agilen PM-Methoden kann als Indiz gedeutet werden, sich auf kleinere Schritte mit überschaubarem Methodeneinsatz zu konzentrieren. Nimmt man beispielsweise die Methoden und Rollen aus SCRUM, so wird man feststellen, dass der dort postulierte Methodeneinsatz neben der Konzentration auf überschaubare Einheiten vor allem auf die oben beschriebenen Faktoren Transparenz und Kommunikation fokusiert.
(Der Titel dieses Threads ist übrigens geklaut bei Stefan Hagen vom Projektmanagement Blog, der ihn gleich als Untertitel seines Blogs führt.)
Bereits im ersten Teil dieser kleinen Reihe wurde darauf hingewiesen, dass es kein Patentrezept für ein PMO gibt. In der Projektpraxis finden sich die unterschiedlichsten Ausprägungen, die unterschiedliche Aufgabenstellungen verfolgen.
In Teil 2 wurden zur besseren Abgrenzung dieser Varianten die Dimensionen Entwickeln, Regulieren, Führen/Agieren und Administrieren beschrieben.
Anschließend wurden beispielhafte Ausprägungen beschrieben und klassifiziert, ohne diese zu bewerten, nämlich:
Zusammenfassend hier die Klassifizierung in tabellarischer Form:
Natürlich ist die Beschreibung dieser Beispiele immer verkürzend, aber in Summe wird das ganze Spektrum dessen, was sich unter dem Mantel „PMO“ verbergen kann veranschaulicht.
Während die Projekte in einem Portfolio auch vollkommen losgelöst voneinander sein können, fasst ein Programm gemäß PMBOK „a group of related Projects managed in a coordinated way to obtain benefits and control not available from managing them individually“ zusammen.
Auftrag:
Das „Programmmanagement“-PMO bewegt sich zwischen einem Portfoliomanagement beschränkt auf die Projekte eines Programms und einem „verlängertem Arm“ für die Programmleitung.
Zielgruppe:
Zielgruppe ist die Programmleitung.
Organisation:
Stabsstelle der Programmtleitung
Ausrichtung:
E – Entwickeln *** (3)
R – Regulieren *** (3)
F – Führen **** (4)
A – Administrieren ** (2)
Eine Beschreibung der Dimensionen findet sich in Teil 2 dieser Artikelserie.
Was hier als „verlängerter Arm“ (der Projektleitung) bezeichnet wird bewegt sich auf der Führungsebene eines einzelnen Projekts (aber nicht auf Ebene des Projektportfolios). Der „verlängerte Arm“ kann zwar auch administrative Aufgaben übernehmen, wie das „Backoffice„, hat aber Führungs- und Mitwirkungsaufgaben im Projekt.
Auftrag:
Der „verlängerte Arm“ des Projektleiters setzt das Projektmanagement um und entlastet den Projektleiter in dem er selbstäbstig PM-Aufgaben übernimmt. Eine Untervariante dieses Typus ist das „Planungsbüro“, das sich auf Planungs- und Reportingaufgaben beschränkt.
Zielgruppe:
Zielgruppe des „verlängerten Arms“ ist die Projektleitung. Projektleiter und PMO arbeiten abgestimmt „Hand in Hand“. Ab einer gewissen Größe ist eine solche Rolle mitunter auch auf Ebene von Teilprojekten sinnvoll.
Organisation:
Stabsstelle der Projektleitung
Ausrichtung:
E – Entwickeln ** (2)
R – Regulieren ** (2)
F – Führen ***** (5)
A – Administrieren *** (3)
Eine Beschreibung der Dimensionen findet sich in Teil 2 dieser Artikelserie.
Als letzte PMO Variante folgt das „Programmmanagement“.
Während das zuvor beschriebene „Backoffice“ sich auf einer reinen Arbeitsebene bewegt, spielt das „Portfoliomanagement“ in einer anderen Liga. Statt operativer Ausrichtung steht hier die Gesamtstrategie (und nicht nur ein einzelnes Projekt) im Vordergrund.
Auftrag:
Das „Porfoliomanagement“ kümmert sich um das Programm- und Projektportfolio einer Organisation. Es verwaltet den Mix unterschiedlichster Projekte, sorgt projektübergreifend für Transparenz und macht hierfür die entsprechenden Vorgaben (z.B. für das Reporting). Auf dieser Ebene wird auch bei Interessenskonflikten zwischen Projekten abgewogen. Im Namen der Leitung gibt das Portfoliomanagement Projekte frei, nimmt sie ab oder stampft sie ggf. auch wieder ein.
Zielgruppe:
Zielgruppe des „Portfoliomanagement“ ist die Unternehmensleitung. Die Projekte sind zuliefernde Einheiten.
Organisation:
Das „Portfoliomanagement“ ist eine Stabsstelle der Unternehmensleitung, entsprechend ist es in der Linienorganisation angesiedelt.
Ausrichtung:
E – Entwickeln ***** (5)
R – Regulieren **** (4)
F – Führen * (1)
A – Administrieren (0)
(Natürlich hat ein „Portfoliomanagement“ v.a. Führungsaufgaben, aber nicht auf Ebene des einzelnen Projekts, sondern für das Gesamtportfolio. Aus Projektsicht wirkt es daher regulierend und nicht führend.)
Eine Beschreibung der Dimensionen findet sich in Teil 2 dieser Artikelserie.
In den weiteren Beiträgen folgen noch „Verlängerter Arm“, und „Programmmanagement“.
Als erste Variante des PMO wird hier ein „Backoffice“ beschrieben. In den weiteren Beiträgen folgen „Portfoliomanagement“, „Verlängerter Arm“, und „Programmmanagement“.
Auftrag:
Das „Backoffice“ ist eine klassische Support-Funktion. Die Aufgaben reichen vom Sekretariat (Folienerstellung & Bürobedarf), über die Verwaltung, evtl. auch Beschaffung der Projektinfrastruktur bis hin zu einfachen PM-Aufgaben (z.B. der Verwaltung eine Projektkalenders, Zeiterfassung, einfache Auswertungen).
Zielgruppe:
Zielgruppe des „Backoffice“ ist primär die Projektleitung. Je nach Kapazität und Ausstattung können sich auch mehrere Projekte ein „Backoffice“ teilen und die Unterstützungsleistungen können auch auf Teilprojektleiter und Projektmitarbeiter ausgedehnt werden.
Organisation:
Das „Backoffice“ ist eine Stabsstelle der Projektkleitung, kann aber evtl. auch in der Linienorganisation verankert sein und von dort mehrere Projekte unterstützen.
Ausrichtung:
E – Entwickeln (0)
R – Regulieren (0)
F – Führen * (1)
A – Administrieren ***** (5)
Eine Beschreibung der Dimensionen findet sich in Teil 2 dieser Artikelserie.
Jolyon Hallows fasst Project Office Functions in drei Funktionsgruppen zusammen: Development, Support und Control. Ähnlich sollen hier im Folgenden vier Dimensionen unterschieden werden, anhand derer die in den weiteren Beiträgen beschriebenen Varianten eines Projektbüros (oder wie auch immer der Name ausfallen sollte) unterschieden und abgegrenzt werden können:
Anhand dieser Dimensionen werden in den weiteren Beiträgen die folgenden vier prototypischen Varianten unterschieden:
Jede dieser Ausprägungen weist andere Schwerpunkte und Zielsetzungen auf und hat andere Zielgruppen im Visier. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausrichtung ist es durchaus möglich, das mehrere dieser Stellen parallel bestehen, was meist die Namensvielfalt und -verwirrung beflügelt. Darüber hinaus finden sich in der Praxis natürlich auch Mischformen und beliebige Abwandlungen.
Das Kind hat viele Namen: Projektbüro, Project Office, Project Management Office (PMO), Program Management Office (ebenfalls PMO), Program Office, Project Support Office, …
Was man darunter versteht ist auch wiederum uneinheitlich. In den Standardwerken, wie dem PMBOK, führt das PMO ein Schattendasein (in der 3rd edition des PMBOK ganze 2 Seiten). Klar hat es irgendetwas mit Projektmanagement zu tun, aber was, das fällt in der großen weiten Welt mitunter sehr unterschiedlich aus.
In einer kleinen Serie sollen daher kurz der Gestaltungsspielraum für ein PMO (Teil 2) aufgezeigt und dessen Ausprägungen anhand von 4 prototypischen Varianten (Teil 3-6) aufgezeigt werden.
Es gibt kein Patentrezept für ein PMO, denn die Anforderungen sind von Projekt zu Projekt, von Organisation zu Organisation sehr unterschiedlich. Kontext- und situationsspezifisch ist der richtige Ansatz zu wählen. Es macht einen gravierenden Unterschied, ob der Projektleiter ein reiner Fachexperte oder ein erfahrener Projektmanager ist. Nicht weniger unterschiedlich fallen die Anforderungen aus, wenn ein Unternehmen ein erstes Projekt startet oder bereits eine ausgeprägte Projektkultur vorhanden ist. Als dritter wesentlich Punkt ist auch die vorhandene Infrastruktur anzusehen: Kann ein Projekt auf eine bestehende Infrastruktur, angefangen von Räumen, Systemen bis hin zu Standards zurückgreifen oder startet ein Projekt auf der grünen Wiese.
Die weiteren Beiträge in dieser Reihe folgen in den nächsten Tagen.
Patrick Fritz hat auf Jahooda eine Auswahl von Methoden-Tipps für das Projektmanagement aus den einschlägigen Blogs zusammengestellt.