Gelesen: Elon Musk

Walter Isaacson, Elon Musk, New York, London, Toronto, Sydney, New Dehli 2023,
ISBN-13: 978-1-9821-8130-7 und hier der Link zur deutschen Ausgabe. (Amazon Affiliate Links)

Man kann über Elon Musk denken, was man will. Mir persönlich ist er unsympathisch und ich würde auch nur ungern mit ihm oder für ihn arbeiten, aber man muss anerkennen, dass er so viel erreicht hat, wie kaum ein anderer und damit meine ich nicht den Status in irgendwelchen Reichen-Listen, sondern seine unfassbare unternehmerische Gesamtleistung, angefangen mit einem eigenen Software-Unternehmen in der New Economy/Internet-Blase, über Paypal, Tesla, Space X bis hin zu Twitter/X. Und diese Liste ist ja auch noch lange nicht vollständig.

Walter Isaacson, der schon die viel beachtete Steve Jobs Biographie (Amazon Affiliate Link) veröffentlicht hat, hat sich mit Elons Unterstützung an dessen Fersen gehängt und wieder eine umfassende Persönlichkeitsstudie zusammengetragen. Isaacson weiß um dieses Privileg, ist aber (zum Glück) kein Fan-Boy. Er versucht sich an der vielschichtigen Persönlichkeit und liefert keine billige Success-Story, wobei Musks Erfolge ja zweifellos eindrucksvoll sind.

So zieht der Biograph am Ende ein treffendes Fazit:

Do the audaciousness and hubris that drive him to attempt epic feats excuse his bad behavior, his callousness, his recklessness? The times he’s an asshole? The answer is no, of course not. One can admire a person’s good traits and decry the bad ones. But it’s also important to understand how the strands are woven together, sometimes tightly. It can be hard to remove the dark ones without unraveling the whole cloth.

Der Sohn eines Psychopathen (so der Eindruck) entschuldigt seine Empathielosigkeit mit seinem Asperger Autismus, wobei, wie Isaacson zurecht anmerkt, das sein Verhalten nicht rechtfertigt, aber zumindest erklärt.

Musk ist rücksichtslos gegenüber sich selbst und gegenüber anderen. Seine Einstellung gegenüber Risiken macht ihn fasst schon zu einem Hasardeur und trotzdem ist er kein Zocker. Als Kind der Software-Entwicklung folgt er der Maxime fail early. Er ist getrieben von Visionen und er hat Prinzipien, die er konsequent umsetzt.

Ein Beispiel hierfür ist der „Algorithmus“, die zentralen Prinzipien der Fertigung bei Space X:

  1. Question every requirement
  2. Delete any part or process you can
  3. Simplify and optimize
  4. Accelerate cycle time
  5. Automate

Solchen Prinzipien folgend hat die „Schester“ Tesla heute die eigene Wertschöpfungskette weit mehr unter Kontrolle, als die altgedienten Auto-Bauer.

Musk fordert und überfordert in dem er diese Prinzipien, wie die Vereinfachung bis auf die Spitze treibt:

[…] if you don’t end up having to restore 10 percent of the parts you deleted, then you didn’t delete enough.

Mit dieser Radikalität stellt er ganze Industriezweige auf den Kopf. Mit neuen Geschäftsmodellen hat er Platzhirschen wie Boeing in der Luft- und Raumfahrt in die Suppe gespuckt und lässt sie als alte, vom Aussterben bedrohte Dinosaurier aussehen. Und seine Challenge der Automobil-Industrie ist weit mehr als die Umsetzung der E-Mobilität, da geht es auch um Digitalisierung, Logistik und die eigene Wertschöpfungskette.

Natürlich stand die Zukunft seiner Unternehmen auch schon das eine oder andere mal auf der Kippe, aber anscheinend hat er trotz oder vielleicht auch wegen seiner Risiko-Einstellung und der Radikalität gegenüber sich selbst, nicht nur ein glückliches Händchen, sondern zumindest sein persönliches Erfolgsrezept.

Vielleicht hat er sich bei Twitter/X verzockt. Seine politischen und persönlichen Einstellungen muss man wirklich nicht teilen. Und trotzdem ist sein Werk alles in allem beachtlich.

Für die Lesefaulen noch ein Tipp: In der ZDF-Mediathek gibt es eine dreiteilige Dokumentation über Musk. Natürlich kann sie nicht die Tiefe von Isaacson Biographie erreichen, ist aber trotzdem sehenswert und noch bis 22.11.2025 verfügbar in Deutschland.

Und noch einmal St(e)akholder…

Und wieder eine Twitterperle:

Das hatten wir erst doch hier.

Beitrag #692 auf schlossBlog

#453 Wohin geht die Reise im Web?

Momentan lassen sich zwei gegenläufige Entwicklungen im Web beobachten:

Auf der einen Seite haben Facebook, Twitter & Co gerade erst so richtig ihre Wirkung gezeigt, wie wir in der arabischen Welt oder in der Gutenberg-Debatte sehen konnten. Sie mobilisieren Massen und emotionalisieren, auf der anderen Seite lässt sich eine inhaltliche Verflachung beobachten.

Letzteres gilt auch für die genannten Debatten deren Tiefgang sich mitunter auf einen „Find ich gut“-Button reduziert. Man kann dies möglicherweise auf Reizüberflutung und Übersättigung zurückzuführen.

Aber auch in den schon länger etablierten Weiten des Web 2.0 ist diese Verflachung zu beobachten. In vielen etablierten Blogs ist es ruhiger geworden. Wer kommentiert heute noch ein Posting? Höchstens die üblichen Verdächtigen und auch in diesem Kreis wird es immer stiller.

Wir hatten letztes Jahr hier eine Diskussion über die Zukunft der PM-Blogs. Und mir scheint es in den (deutschsprachigen) PM-Blogs seitdem noch ruhiger geworden zu sein.

Die Reizüberflutung schlägt sich auch in Medien wie Email nieder. Wieviele Mails, die vor gar nicht allzu langer Zeit sicher beantwortet worden wären, bleiben heute unbeantwortet? Bitte auch nie mehr als ein Anliegen je Mail, denn weiter wird erst gar nicht gelesen…



bernhardschloss.de