#568 Gelesen: Dueck über Innovation


Gunter Dueck, Aushängeschild der Web 2.0 Gemeinde, hat sein neues Buch veröffentlicht:
Gunter Dueck, Das Neue und seine Feinde: Wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen, campus, Frankfurt 2013, ISBN-13: 978-593-39717-7 (Amazon Affiliate Link)

Diesmal beschäftigt er sich mit dem Thema Innovation, aber nicht im Sinne eines klassischen Innovationsmanagement, nein, sein Buch ist eine konsequente Management-Kritik und stellt vor allem die Psychologie und Hemmnisse in den Vordergrund. Es ist obendrein ein sehr persönliches Buch, weil es Duecks Erfahrungen auf seinem Weg bis zum CTO der IBM widerspiegelt. Ein paar mehr Referenzen und Literaturverweise hätten dem Buch aber nicht geschadet. Trotzdem: Eine spannende Lektüre von einem Autor, der (a) etwas zu sagen hat und (b) ein schelmischer Meister des Storytelling ist.

Ein zentraler Bestandteil des Buches ist Duecks Resistenzmodell in dem er aufzeigt wie sich eine Innovation über die Zeit in verschiedenen Personengruppen (Protagonisten, OpenMinds, CloseMinds und Antagonisten) durchsetzen muss um erfolgreich zu sein. Es gilt eine kritische Hürde („Chasm“) zu überwinden bis eine Innovation zum Selbstläufer wird. Während BWLer ihre Modelle gerne in Matrix-Form aufbauen, um die Welt zu erklären, verwundert es nicht, dass Dueck als Mathematiker sein Resistenzmodell auf einer Gauß-Kurve aufbaut.

😉

Dueck zeigt nüchtern die geringe Erfolgswahrscheinlichkeit von Innovationen: Demnach hat ein Startup, das von einem Erfinder aufgesetzt wird eine Erfolgswahrscheinlichlichkeit von 5%. wenn Management-Know-How und Expertise hinzukommen, steigert sich die Quote auf 11% oder zu Deutsch: 89% aller unter besten Bedingungen gestarteten Innovationen scheitern. Bei diesen Zahlen muten Erfolgsbetrachtungen aus dem Projektmanagement, wie der CHAOS-Report der Standish-Group, plötzlich als Best Practice an (was sich aber leicht erklären lässt, weil nicht jedes Projekt hochgradig innovativ ist).

Und konsequent erinnert er uns daran auf was es wirklich ankommt:

  • Leidenschaft
  • 100%-iges Engagement
  • Unterstützung
  • Meisterschaft
  • Aktive und passive Prozesskompetenz
  • Die Schaffung eiens geeigneten Kräftefeldes

Duecks Management-Kritik gipfelt in seiner fiktiven, sarkastischen Betrachtung eines Vice-President Innovation in einem beliebigen Großunternehmen. Und dementsprechend gibt Dueck auch Tipps wie:

  • Think and speak visionary, act evolutionary!
  • Work underground as long as you can!
  • Was du auch tust, tu es gut.

Als Gegenmodell zum klassischen Innovationsmanagement empfiehlt er eine Orientierung an der agilen Software-Entwicklung.

Und schließlich mündet Duecks Betrachtung in seinem Fazit von Innovation als Sisyphos-Arbeit:

„Innovation, die sich lohnen soll, muss als Herkulesaufgabe betrieben werden, mit voller Kraft. Innovation ist wie »Sisyphos schafft es doch.«“

Wie immer ist Dueck voller persönlicher Anekdoten und Bildern und die Lektüre lohnt sich nicht nur aufgrund seiner Qualitäten als Storyteller. Positiv übrigens auch, dass man mit Erwerb des gebundenen Buches auch das eBook erhält.

Und hier noch der Link zu Duecks Webseite: Omnisophie

#523 PM nicht als Commodity verstehen

Im vorangegangenem Beitrag hatte ich darüber philosophiert, dass Projektmanagement immer mehr als Commodity missverstanden wird.

Aber was ist so schlimm daran, wenn PM ein Commodity wird?

Hierzu sei wieder Gunter Dueck angeführt, der von der Commodity-Gefahr spricht. Denn bei Commodities steckt die Intelligenz nicht mehr in der konkreten Leistung der Beteiligten sondern in den Prozessen. Durch festgelegte Normen und Vorschriften „…wird die Erfüllung der Vorschriften zur Commodity“. Diese Form der Professionalisierung birgt aber erhebliche Nachteile, denn „…[d]ie Berufe werden nicht derart professionalisiert, dass man alle in diesem Beruf so verbessert, dass sie alle gleichmäßig exzellent sind – nein, man programmiert sie alle gleich.“  Die Professionalisierung in der Praxis vernachlässigt „…die anderen Intelligenzen im Bereich von Gefühl, Wille, Instinkt, Humor, Intuition oder Führung […], weil diese nur in niederer Form als beschreibbare Anweisungen oder erlernbare Gesprächsfloskeln vorkommen. Dadurch werden sie bei der Professionalisierung durch die klassische Intelligenz des Auswendiglernens simuliert und ersetzt.“

Hier versteckt sich auch eine Kritik, die wir auf Standards und Zertifizierungen beziehen können. Diese erzeugen nämlich nicht eine professionelle Intelligenz im Sinne Duecks, sondern ihre einseitige Fixierung führt zu Dysprofessionalität. „Und weil die Welt immer höherdimensionaler, komplexer und komplizierter wird, sowie mehr Intelligenzen verlangt, wird der Schaden durch Unprofessionalität immer größer.“ Das blinde Anwenden von Normen und Standards schadet. Die Kunst liegt darin, die Regeln an den richtigen Stellen zu brechen, sie situationsspezifisch anzuwenden und den gesunden Menschenverstand einzuschalten.

Kommunikationsregeln ersetzen keine Kommunikation.

Controlling & Reporting ersetzen kein Problemlösungsdenken.

Jens Hoffmann hat nach dem vorangegangenem Beitrag auf Google + gefragt, wie wir dann Projektmanagement betreiben können, so dass es als wertsteigernde Aktivität betrachtet wird und nicht als Commodity.

Nun meine Antwort ist eine Professionalisierung – nicht im Sinne der Standards und Normen, sondern im Sinne der Professionalisierung Duecks, die neben der klassischen Intelligenz auch emotionale Intelligenz, vitale Intelligenz des Instinktes und des Handelns, Intelligenz der Sinnlichkeit (Schönheit), Intelligenz des Kreativen und Intelligenz der Sinnstiftung braucht. Und dieses Gesamtpaket gibt es beim besten Willen nicht mehr als Commodity. Das ist schon Premium. 😉



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